BEI DEN STREBERN VOM BALKAN
Sonntagmittag, es ist ruhig und riecht penetrant nach abgestandenem Bier und kaltem Aschenbecher. Einzig ein paar verstrahlte Gestalten bieten ihrem Kater die Stirn und schlürfen durch den Hof. Die Szenerie hat etwas Surreales. Im heraus gepützelten Ljubljana existiert direkt neben dem Bahnhof eine Parallelgesellschaft, deren Kreativität in die ganze Stadt diffundiert. Auf dem Areal einer besetzten Kaserne der jugoslawischen Volksarmee verschmelzen die unzähligen Graffitis, selber gebastelten Skulpturen und Gebäude zu einem grossen Kunstwerk. Und die Stadtregierung und -bevölkerung scheint diesen Groove nicht nur zu tolerieren sondern ihn in den Rest der Stadt übertragen zu wollen.
Abends wird auf den mit Säulen gesäumten Markgassen getanzt, oben Lindy Hop weiter unten etwas aus der Merengue Salsa Ecke. Und es ist nicht mal Sommer. Auf dem Platz vor den drei Brücken werden
Ansätze schauspielerischen Darbietungen gezeigt. Ich glaube sie hatten einen subversiv revolutionären Charakter, dementsprechend hab ich das Ganze auch nicht ganz gecheckt. Nicht die Aufführung
an sich hat begeistert, sondern dass eine Stadt dafür Raum bietet ist bemerkenswert. Auch für Strassenmusiker, die nur zwei Lieder beherrschen. Für Festivals und Künstlermärkte, für Tische und
Stühle auf dem Trottoir in der Innenstadt, die deswegen trotzdem nicht zu einer Partymeile verkommt. Ljubljana ist wie ein kleines Zürich, das die vielen bremsenden Zwinglis vertrieben hat.
Eine solche Hauptstadt würde man Ihnen gar nicht geben, denn eigentlich sind sie alles langweilige Streber, die Slowenier. Die Musterschüler des Balkans, so habe ich das irgendwo gelesen. Nur
zehn Tage Krieg für die Unabhängigkeit, Kroatien und Bosnien brauchten dafür Jahre und x Tote mehr. In die EU haben es die Slowenier auch schon geschafft im Gegensatz zu den anderen Jugos, die
ihre Kriegsverbrecher immer noch in den Kellern verstecken. Europäer zu sein, darauf ist man in Slowenien besonders stolz. In Ljubljana sind die Europasterne genau so oft wie die Slowenien-Flagge
oder der Ljubljana Drachen vertreten. Und das in der Balkan Region die von nationalistischem Gedankengut ideologisch eingenebelt scheint. Aber eben Streber.
Die Slowenen schauen gar nicht aus wie vom Balkan, eher wie Russen im Exil, das heisst wie Russen nur etwas brauner. Sie saufen auch wie Russen. Am Samstag nach dem Markt sitzen viele von ihnen
in den Cafes am Fluss und nuckeln strebsam an der einen oder anderen grossen Flasche Lasko. Und das vor Mittag. Lustig ist, dass die Seniorentouris aus Mitteleuropa dieses Verhalten
leidenschaftlich imitieren.
Auf der Autobahn haben wir uns dann wie zu Hause gefühlt. Denn es gibt hier viele schweizerisch-slowenische Gemeinsamkeiten. Marché, die schweizerische Kette mit dem so unpassend gesunden
Autobahnfood hat auf die eidgenössisch glatten Autobahnen Sloweniens expandiert. Der auf dem WC aus den Boxen dudelnde slowenische Volksschlager tönt auch wie bei uns. Immerhin versteht man den
Text nicht. Eine weitere Parallele sind die Autobahnvignetten, die haben wir jedoch zu spät entdeckt, deshalb gabs eine Busse. Die war unanständig hoch. Da fühlten wir uns endgültig daheim.
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Urban (Dienstag, 10 Mai 2011)
Hoi zäme!
Scheeeni Fotis, irrwitzig gschriebe - mir gfallts - danke!
Wiiterhin alles Gueti und löhnd üch doch snöchschtmal nöd verwütsche! Ohni Vignette choschtet i de Schwiiz 140.-, oder isch es inzwüsche au scho meh...
Alles Liebi Urban
Caglar (Dienstag, 10 Mai 2011 15:38)
Mir fällt auf, dass praktisch nur Gebäude abgebildet sind, wo sind die Menschen? Oder habt Ihr Vorurteile? ;-))
Sieht alles sehr toll aus, bin gespannt auf die nächsten Bilder "Powered by Canon" ;-)
Viel Spass noch
Caglar
Ruedi (Dienstag, 10 Mai 2011 15:54)
Sieht gut aus! Weiter so da sind wir gespannt und wegen
den Menschenbilder Caglar - Dominik ist da eben etwas
zurückhaltend, was ja auf dem Balkan nicht von Nachteil
ist nach dem Motto "Hey was wotsch man!"
Gruss
Ruedi
Dunja (Dienstag, 10 Mai 2011 16:19)
Boa... super schöne Bilder! Da muss ja jemand extreme Stinkefüssle haben, damit man die Converse so ufhängt ;-)
Viel Spass noch!
grüessli Dunja